Wege der menschlichen Erhửhung in der traditionellen chinesischen Philosophie

Một phần của tài liệu Fang dongmei (1899–1977) und sein religionsverständnis (Trang 162 - 165)

2. Die korrelative Struktur von Mensch und Welt

2.4. Wege der menschlichen Erhửhung in der traditionellen chinesischen Philosophie

Fang Dongmei ist davon ỹberzeugt, dass das Ideal der menschlichen Erhửhung ebenso ein wichtiges Charakteristikum der traditionellen chinesischen Philosophie ist. Er ist sich jedoch der Tatsache bewusst, dass die drei Hauptstrửmungen der chinesischen Tradition jeweils eine unterschiedliche Gesinnung haben. Fỹr ihn ist der Taoist ọsthetisch veranlagt, daher nennt er den taoistischen Idealmenschen „Dichter“; der Konfuzianer ragt durch sein moralisches Stre- ben heraus, und ihren Idealmenschen bezeichnet Fang Dongmei als „Weiser“; der Buddhist hat starke religiửse Konnotation und sein Idealmensch wird daher als „Prophet“ genannt.493 Aber alle haben ein gemeinsames Ziel, nọmlich sich der Heiligkeit anzunọhern. Um dieses zu verdeutlichen, übernimmt Fang Dongmei einen Ausdruck von Francis M. Cornford (1874–

1943) und bezeichnet dieses gemeinsame Ziel des Konfuzianismus, des Taoismus und des Buddhismus als „Kombination von Prophet-Dichter-Weiser“494. Diese „Kombination“ trifft im Grunde auch auf den Homo nobilis in Fang Dongmeis Weltdiagramm zu. Dort bekrọftigt er, dass die eigene Bestrebung des Menschen für die Verwirklichung des Ideals notwendig ist.495 Wie diese Bestrebung aussehen soll, beschreiben die drei wichtigen Schulen der chine- sischen Tradition auf jeweils verschiedene Weise. Fang Dongmei erlọutert sie wie folgt:

2.4.1. Konfuzianer: der moralische Weg zum Homo nobilis

Für die Konfuzianer soll jeder Mensch ohne Unterlass moralisch erbaut werden und man glaubt, dass diese moralische Erbauung durch die beharrliche Ausübung der Vernunft zu ver-

492 Vgl. Wong, Joseph H.: „Homo nobilis and Christ the Perfect Man. Fang Tung-mei, Karl Rahner, and the Chinese Face of Jesus“, in: Malek, Roman (Hrsg.): The Chinese Face of Jesus Christ, Volume 3b, Monumenta Serica Monograph Series L/3b, Sankt Augustin – Nettetal: Steyler Verlag, 2007, S. 1529.

493 Vgl. Fang Dongmei, „The World and the Individual in Chinese Metaphysics“, in: ders.: Creativity in Man and Nature, 1980b, S. 31-32.

494 Cornford, Francis M.: Principium Sapientiae, Cambriege: Cambridge University Press, 1952, S. 90-91.

495 Vgl. Fang Dongmei: Zhongguo rensheng zhexue, 2005a, S. 98.

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wirklichen ist und der natỹrliche Mensch in eine idealisierte moralische Persửnlichkeit ver- wandelt werden kann.496

Laut Fang Dongmei ist dieses Ziel der Erbauung in der Kurzformel „Das Heilige im Innern nach auòen zur Herrschaft bringen“ (Nei sheng wai wang 内圣外王)497 zusammenge- fasst. Obwohl diese Formel zunọchst im Zhuangzi auftauchte, ist sie ein zentraler Grundsatz des Konfuzianismus, der die ĩberzeugung ausdrỹckt, dass derjenige, der innerlich die morali- sche Heiligung erreicht hat, ọuòerlich eine kửnigliche Wỹrde erringt. Alle Konfuzianer ver- folgten daher dieses Ziel der moralischen Heiligung. Mencius und Xunzi waren die wichtigs- ten Vertreter nach Konfuzius. Es war dann Mencius, der dem innersten Beweggrund des menschlichen Handels tief nachgegangen war und schlieòlich im guten Gewissen das Funda- ment des moralischen Charakters fand. Das innere Gewissen strebe demnach immer nach dem hửchsten Gut und habe in sich alles Potenzial, sich zur Erfỹllung zu erhửhen. Xunzi dagegen beschritt einen anderen Weg, da ihm die menschliche Natur als mit Mọngeln behaftet erschien.

Aber durch einen ausgearbeiteten erzieherischen Prozess der kulturellen Lọuterung kann die mangelhafte menschliche Natur in einen Zustand transformiert werden, in dem der gewửhnli- che Mensch zu einem edlen wird. Ein edler Mensch wiederum ist auf dem Weg, ein Heiliger zu werden. Ein heiliger Mensch ist im Konfuzianismus jemand, der in seinem Leben alle mo- ralischen Werte lebt und somit das Ideal erfüllt.498

2.4.2. Taoisten: der ọsthetische Weg zum Homo nobilis

Für die Taoisten ist ein Idealmensch permanent frei und ungezwungen.499 Zhuangzi war in Fang Dongmeis Augen ein groòartiges Genie, das mit poetischen und philosophischen Denk- weisen das beste Vorbild verkửrpert. Sein ganzes Leben richtete er darauf aus, einen ein- drucksvollen Stil der metaphorischen Sprache zu erschaffen. Er verhửhnt die Oberflọchlich- keit und Zwecklosigkeit des alltọglichen Lebens und propagiert die Wichtigkeit des ungebun- denen Geistes fỹr eine tiefgreifende Erkenntnis sowie eine angemessene Einschọtzung des idealisierten Lebens. Er fordert, dass der Mensch die Begrenztheit des verkleinerten Selbst

496 Vgl. Fang Dongmei, „The World and the Individual in Chinese Metaphysics“, in: ders.: Creativity in Man and Nature, 1980b, S. 33.

497 Der Ausdruck stammt von Zhuangzi, Tianxia 天下, Guo Qingfan: Zhuangzi jishi, 1985, S. 1069. Vgl. Geld- setzer, Lutz / Hong Handing: Chinesische Philosophie. Eine Einführung, Stuttgart: Philipp Reclam jun., 2008, S.

26-41.

498 Vgl. Fang Dongmei: „A Philosophical Glimpse of Man and Nature in Chinese Culture“, in: ders.: Creativity in Man and Nature, 1980b, S. 22.

499 Vgl. Fang Dongmei: „The World and the Individual in Chinese Metaphysics“, in: ders.: Creativity in Man and Nature, 1980b, S. 33.

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vergessen und transzendieren muss, um sein Leben auf den obersten Bereich der geistigen Freiheit zu erheben; er soll seinen Erfahrungsumfang erweitern und seine Wertvorstellungen vertiefen, bis sein Geist mit dem Ursprung des Tao „Eins“ wird.500

Das ideale Menschenbild des Taoisten ist nach Fang Dongmeis – wie erwọhnt –

„Dichter“. Er erlọutert das so: „Ein Dichter projiziert seine frỹhere Erfahrung mit ausgeprọg- ter Phantasie auf die Zukunft. Dadurch reflektiert er die Vergangenheit und die dort gemach- ten Erfahrungen und leitet daraus Visionen ab“.501 Ein Dichter errichtet dadurch einen „poeti- schen Raum“, in dem der Mensch frei und ungezwungen sein kann.

2.4.3. Buddhisten: Weisheit als Weg zum Homo nobilis

Mit dem Buddhismus, vor allem dem chinesischen Mahayana-Buddhismus, hat sich Fang Dongmei sehr intensiv auseinandergesetzt; allein vier seiner insgesamt dreizehn Schriften- bọnde befassen sich mit diesem Thema. Dabei geht es auch um den Weg der menschlichen Erhửhung.

In der buddhistischen Kosmologie wird der Kosmos als ein Turm mit vielen Schichten betrachtet. Die allerhửchste Schicht ist von Wahrheit erfỹllt und die Welt der Erleuchteten.

Der Weg zu dieser hửchsten Schicht – zu Homo nobilis – ist laut Fang Dongmei die „Weis- heit“, denn nur diese kửnne die Finsternis vertreiben und die Welt transformieren. Die Weis- heit habe verschiedene Stufen, die den unterschiedlichen Schichten des Kosmos entsprechen.

Die Transformation in die hửchste Schicht erfordere die absolute, vollkommene Weisheit des ganzen Kosmos; sie ist Vairocana-Buddha, der Herr des Kosmos.502 Er erleuchtet und enthüllt das ganze Universum durch die absolute Wahrheit, damit alle Wesen jeder Schicht des Kos- mos die Weisheit empfangen und mit ihrer Hilfe in hửhere Schichten und schlieòlich in die Welt der Erleuchteten aufsteigen und Buddha werden. Er ruft alle Wesen des Kosmos auf, den Weg dieses Entwicklungsprozesses zu gehen. In der menschlichen Geschichte inkarnierte er sich in den indischen Shakyamuni und hat die vollkommene Erleuchtung empfangen sowie die absolute Wahrheit gepredigt.503

Der ganze Kosmos mit allen seinen Wesen existiert nicht selbstọndig oder fỹr sich selbst, sondern ist insgesamt heilig und zum Buddha-Werden ausersehen; der Sinn des jetzi- gen Kosmos ist also die Transformation in diese hửchste Schicht. Leben heiòt somit nicht,

500 Vgl. Fang Dongmei: „A Philosophical Glimpse of Man and Nature in Chinese Culture“, in: ders.: Creativity in Man and Nature, 1980b, S. 20.

501 Fang Dongmei: Yuanshi rujia daojia zhexue, 2005e, S. 76.

502 Vgl. Fang Dongmei: Huayanzong zhexue (shang), 2005h, S. 54.

503 Vgl. ebd., S. 57-58, 98.

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ziellos in den Tag hinein, sondern sinnvoll zu leben, mit dem Bemühen, das Niedrigere in das Hửhere umzuwandeln. Das Endziel aller Existierenden muss das Buddha-Werden sein. Die absolute Wahrheit bzw. Buddha ist also nicht nur die erste Ursache, sondern zugleich auch das Ziel aller Wesen.504 Alle Wesen kửnnen und sollen Buddha werden.

Die absolute Wahrheit ist Fang Dongmei zufolge im chinesischen akademischen Bud- dhismus, sowohl für die Tiantai-Schule als auch für die Huayan-Schule, der einzige Schlüssel zum Sinn und zur Erlửsung des Kosmos.505 Diese absolute vollkommene Wahrheit beinhaltet alle Erkenntnisse ỹber den gesamten Kosmos und seine bekannten Phọnome, ỹber alle seine Aspekte, wie die physischen, chemischen, mathematischen, biologischen, psychischen, wirt- schaftlichen, sozialen, politischen, historischen, geographischen, philosophischen, medizini- schen u.a. Aber diese absolute vollkommene Wahrheit ist nun nicht die Addition zahlreicher Einzel-Wahrheiten oder Detail-Erkenntnisse, sondern das Ergebnis aus der Verarbeitung und Raffinierung der Gesamtheit aller einzelnen Informationen über den Gesamtkosmos sowie deren gegenseitiger Durchdringung. Die „Absolute Wahrheit“ ist also der hửchste Punkt des unendlichen „Wahrheitsmeeres“. Diese aus der Vereinigung aller einzelnen „Wahrhei- ten“ raffinierte „Absolute Wahrheit“ beinhaltet alle Phọnomene des Kosmos506 und ist voll- kommen und perfekt, unendlich und ewig, unvergọnglich sowie unverwandel- und unverọn- derbar.507 Um zu dieser absoluten Wahrheit zu gelangen, ist Weisheit unerlọsslich.

Fang Dongmei kommentiert Weisheit aus seiner Sicht. Zunọchst stellt er fest, dass es zwischen Weisheit und Wissen gravierende Unterschiede gibt. Wissen sei nur einseitige, fragmentarische und separate Erkenntnis von Dingen, Weisheit dagegen ein integrierendes Vermửgen, das auf den komplexen Systemen von Wissen, Praxis, Erfahrung, Gefỹhl, Bewer- tung, u.ọ. beruht. Weisheit sei eine Geisteshaltung mit dem damit verbundenen Handlungs- vermửgen. Darum kửnne Weisheit dem Menschen helfen, sich von einer tieferen Sphọre zu einer hửheren zu erheben.508

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